Eisenbahnanschlußgleis

In dem Vertragswerk über die Zusammenarbeit bei der Klinkerproduktion zwischen dem Deutschen Reich, dem SS‑Unternehmen Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH (DESt) und der Hansestadt Hamburg vom April/Mai 1940 wurde auch die Erschließung des Klinkerwerks durch die Stadt geregelt. Neben der Errichtung eines Hafenbeckens am neuen Klinkerwerk und der damit verbundenen Schiffbarmachung der Dove Elbe sollte die Anbindung des Klinkerwerks an das Schienennetz der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn AG (BGE) über die Strecke Hamburg–Bergedorf–Zollenspieker erfolgen. Dafür stellte die Stadt 131 000 Reichsmark aus dem „Sonderhaushalt 1940“ bereit.

Es wurde vereinbart, dass die Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn AG (BGE) das 1675 m lange Anschlussgleis von ihrer Strecke Bergedorf–Zollenspieker bis zum Neuen Heerweg (heute Jean-Dolidier-Weg) erstellt. Dafür wurden von der BGE 2349 m Gleis, einschließlich 20 m Verschnitt und sechs Weichen, zur Verfügung gestellt. Die Zentralbauleitung der Waffen‑SS und Polizei Hamburg-Neuengamme lieferte für den Gleisabschnitt innerhalb des Konzentrationslagers 1418 m Gleis. Die Ausführung der gesamten Baumaßnahme erfolgte unter Leitung der BGE und unter der Kontrolle der Gemeindeverwaltung der Hansestadt Hamburg, des Amtes Vier- und Marschlande. Als Arbeitskräfte wurden Häftlinge des KZ Neuengamme zur Verfügung gestellt, die im März 1942 mit den Bau begannen. Der Gleisanschluss wurde ohne die notwendigen Schotterschüttungen mit einer behelfsmäßigen Sandschüttung Anfang 1943 als Provisorium in Betrieb genommen.

Über den Vertrag mit der BGE hinaus und ohne Hinzuziehung des Amtes Vier- und Marschlande begann die SS im Winter 1942/43 damit, ein doppeltes Nebengleis von dem Gleisübergabepunkt am Neuen Heerweg zu den Industriekomplexen der Deutschen Ausrüstungswerke (DAW) und der Fertigungsstelle der Walther-Werke zu verlegen. Bis Ende 1944 hat keine landespolizeiliche Abnahme des gesamten Anschlussgleises stattgefunden, was zu mehrfachen Mahnungen der BGE geführt hat.

Die Trasse des Anschlussgleises berührte neben dem Grundstück der DESt auch Grundstücke Vierländer Landwirte und der Kirchengemeinde in Neuengamme. Die Verträge zum Kauf der für den Bau der Bahntrasse benötigten Grundstücke sind trotz des Baubeginns im März 1942 erst am 3. Mai 1944 abgeschlossen und rückwirkend ab dem 1. Juli 1943 für gültig erklärt worden. Die entsprechenden Grundbuchänderungen sind dann wiederum erst knapp ein Jahr später, am 12. März 1945, vorgenommen worden. Die Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Reichsstatthalter – Gemeindeverwaltung – hat die Verträge jedoch bis zum 2. Mai 1945 nicht erfüllt und blieb die Zahlung schuldig.

Am 2. Mai 1945 wurde das von der SS geräumte Konzentrationslager Neuengamme von der britischen Armee übernommen. Nachdem die britische Militärverwaltung das Gelände kurzzeitig als Lager für Displaced Persons (DP‑Camp) und als Lager für deutsche Kriegsgefangene genutzt hatte, wurde ab November 1945 ein ziviles Internierungslager, das „Civil Internment Camp No. 6“ (CIC 6), eingerichtet. Über die Nutzung des Gleisanschlusses in dieser Zeit ist nichts bekannt.

Am 6. September 1948 wurde das Gelände an die Hamburger Gefängnisbehörde übergeben, die es als „Männergefängnis Neuengamme“ weiternutzte. Die Gefängnisbehörde hatte ein großes Interesse an der Weiternutzung des Gleisanschlusses. Sie musste aber aufgrund der fehlenden bzw. nicht erfüllten Verträge erneut Kaufverträge mit den Eigentümern der betroffenen Grundstücke abschließen.

Bis zu dem Gleisübergabepunkt am Neuen Heerweg wurde die ursprüngliche Gleistrasse weitergenutzt. Im Mai 1949 wurde von dem neuen Mieter des Klinkerwerks der Entwurf für eine neue Schienentrasse, die nun östlich der Werkhallen der ehemaligen Fertigungsstelle bis zum Hafenbecken führte, vorgelegt.

In den 1950er-Jahren stellte sich die gesamte Gleisanlage im ehemaligen KZ Neuengamme aber als unrentabel heraus. Es wurde demontiert und der Grund und Boden von der Gefängnisbehörde in das Eigentumsverhältnis der Hansestadt Hamburg übergeben.