Krankenreviere

Anfang Juni 1940 wurde in der dritten fertig gestellten Unterkunftsbaracke ein kleines Häftlingskrankenrevier untergebracht. Zwei abgeteilte Räume von jeweils ca. 12 m2 Grundfläche nahmen das Krankenrevier und die Ambulanz auf. Aber bereits im Herbst 1940 sah sich die SS‑Leitung gezwungen, das Krankenrevier zu vergrößern, da die völlig unzureichende medizinische Versorgung der Häftlinge deren Arbeitsleistung zu sehr beeinträchtigte.

Im September 1940 wurde östlich der Effektenkammer von Häftlingen eine Krankenrevierbaracke errichtet. Dabei handelte es sich um eine 15,00 m × 52,50 m große und 3,50 m hohe, auf Streifenfundamenten gegründete Normbaracke (Dachhöhe 5,30 m). Die Baracke hatte ein mit Teerpappe gedecktes, flach geneigtes Satteldach. Das Krankenrevier verfügte neben der Ambulanz, dem Operationszimmer, der Apotheke, der Krankenrevierschreibstube und dem Arztzimmer über etwa sieben Krankenzimmer von jeweils 20 m2.

Im März 1942 wurde erstmals eine übergeordnete Planung des „Schutzhaftlagers“ (Häftlingslager) aufgestellt. Vermutlich aus der Erfahrung der von Dezember 1941 bis März 1942 grassierenden Flecktyphusepidemie sollte das Krankenrevier nach Süden erheblich erweitert werden. Neben einem parallel stehenden Erweiterungsgebäude war im Süden eine Isolierabteilung aus zwei schmalen, rechtwinklig anschließenden Krankenrevierflügeln geplant.

Ende Juli 1942 wurde aber offensichtlich zur Verbesserung der – auch aus Sicht der SS – weiterhin schlechten medizinischen Versorgung in dem geräumten Unterkunftsblock 14 und später auch in dem Unterkunftsblock 12 ein provisorisches zweites Krankenrevier eingerichtet.

Jedoch reichte auch diese Erweiterung der medizinischen Versorgung nicht aus. Einige Monate später, im Winter 1942/43, wurde mit der Planung und der Aufstellung von drei zusätzlichen Krankenrevierbaracken durch Häftlinge vor der Krankenrevierbaracke begonnen. Sie standen parallel zur ersten Krankenrevierbaracke und bildeten die Krankenreviere II bis IV. Nach der Fertigstellung des Krankenreviers II im Frühjahr 1943 wurden in den Block 12 und 14 wieder Häftlinge untergebracht. Das Krankenrevier III wurde im Sommer und das Krankenrevier IV im Herbst 1943 fertiggestellt.

Nach einem Lageplan des „Schutzhaftlagers“ vom 1. April 1943 handelte es sich bei den drei in einer Achse stehenden Krankenrevierbaracken um Baracken des Typ OKH 260/9 mit den Normmaßen 9,56 m × 40,76 m.

Die Baracken wurden auf Streifenfundamenten gegründet und bildeten die südliche Begrenzung des Appellplatzes. Sie hatten eine Wandhöhe von 2,65 m und mit Teerpappe gedeckte, flach geneigte Satteldächer.

Im Dezember 1942 wurde weiter an der Umgestaltung des „Schutzhaftlagers“ geplant. Südlich des Appellplatzes sollten alle Baracken durch ein ca. 175 m langes massives Gebäude ersetzt werden. Im Süden des Gebäudes hätten vier ca. 50 m lange Querflügel alle Bereiche wie beispielsweise die Effektenkammer, die Kleiderkammer, den Arrestbunker und das Krematorium aufgenommen. In einem dieser Flügel sollte auch das nun als „Krankenhaus“ bezeichnete Krankenrevier untergebracht werden. Diese Planungen wurden aber nicht mehr verwirklicht.

Am 2. Mai 1945 wurde das von der SS geräumte Konzentrationslager Neuengamme von der britischen Armee übernommen. Nachdem die britische Militärverwaltung das Gelände kurzzeitig als Lager für Displaced Persons (DP‑Camp) und als Lager für deutsche Kriegsgefangene genutzt hatte, wurde im November 1945 ein ziviles Internierungslager, das „Civil Internment Camp No. 6“ (CIC 6), eingerichtet. Der gesamte südliche Bereich des KZ wurde dazu in sieben eigenständige Lager unterteilt. Die Krankenreviere wurden in dem als Lager II bezeichneten Teil des CIC 6, dem ehemaligen „Schutzhaftlager“, weitergenutzt. Im westlichen Teil des Krankenreviers IV wurde zusätzlich ein Raum für die britischen Wachen eingerichtet. Darüber hinaus wurde das südlich des Krankenreviers I stehende ehemalige Häftlingsbordell als Infektionsbaracke in den Krankenrevierbereich integriert.

Am 6. September 1948 wurde das Gelände an die Hamburger Gefängnisbehörde übergeben, die es als „Männergefängnis Neuengamme“ weiternutzte. Das Krankenrevier I und das ehemalige Häftlingsbordell wurden bis zur Eröffnung einer neuen Krankenstation im östlichen Klinkergebäude 1952 weiterhin als Krankenrevier genutzt. Über die Nutzung der bereits 1949 abgerissenen Krankenreviere II bis IV ist nichts bekannt.