Die eigentliche Entstehung und damit die für eine baugeschichtliche Analyse wichtige Phase des Aufbaus des eigenständigen Konzentrationslagers Hamburg-Neuengamme begann Anfang 1940.
Nachdem im Januar 1940 der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, das KZ‑Außenlager Neuengamme besucht hatte, wurde ab Februar 1940 die Errichtung eines eigenständigen Konzentrationslagers vorbereitet.
Insbesondere das „Schutzhaftlager“ (Häftlingslager) entsprach dabei der funktionalen und übersichtlichen Figur eines bereits während der römischen Winter- und Standlager entwickelten Lagertyps der dauerhaften Unterbringung. Dieser Lagertyp besteht aus einer meist rechteckigen Grundfläche. Ein Teil der Fläche wird von den parallel angeordneten Unterkunftsbaracken eingenommen, die eine maximale Platzausnutzung und ein Höchstmaß an Übersichtlichkeit gewährleisten, der andere Teil von einem Appell- oder Exerzierplatz.
Das „Schutzhaftlager“ bestand aus achtzehn parallel gereihten Normbaracken. Südlich schloss der anfangs noch unbefestigte Appellplatz an. Die Begrenzung im Süden bildeten die rechtwinklig zur Lagerachse stehende Materialbaracke, die Krankenrevierbaracke und die Effektenkammer. Der Eingang wurde durch zwei unscheinbare Baracken gebildet, in denen der Rapportführer und der Arbeitsdienstführer ihre Büros hatten.
Das strategische System der Bewachung des „Schutzhaftlagers“ bestand aus acht zweigeschossigen, anfangs noch ausschließlich hölzernen Wachtürmen und einem elektrisch geladenen Stacheldrahtzaun. Durch die Anordnung der Wachtürme – je ein Turm an jeder Ecke des quadratischen Lagers und je ein Turm zwischen den Ecktürmen – konnte das gesamte Häftlingslager vollständig überwacht werden.
Das nördlich anschließende SS‑Lager bestand ebenfalls aus Normbaracken, war aber durch die Größe und die Positionierung der Baracken wesentlich großzügiger angelegt.
Bis Ende 1940 wurden die beiden Lager zügig ausgebaut. Die Grundstruktur zeigt zwei rechteckige, unmittelbar nebeneinander liegende, östlich an den Neuen Heerweg (heute Jean-Dolidier-Weg) grenzende Barackenlager, die 1944 mit 68 200 m2 („Schutzhaftlager“) und 39 100 m2 (SS-Lager) ihre maximalen Ausdehnung erreichten.
Bereits ab 1940 – mit dem Klinkerwerk – und verstärkt ab 1942 begann der Ausbau des KZ Neuengamme als Wirtschaftsstandort. Rund um das „Schutzhaftlager“ wurden mehrere Rüstungsbetriebe errichtet. Bis 1945 entstand so zur totalen wirtschaftlichen Ausbeutung der KZ‑Häftlinge auf ca. 72 ha ein „städtebaulicher“ Komplex.
Die räumliche und der baugeschichtliche Entwicklung des Konzentrationslagers Neuengamme vermittelt dabei immer wieder den Eindruck des Provisorischen, der sich teils aus der Entstehung als „Kriegs-KZ“, teils aus der Funktionszuordnung zum 1940 bereits im Bau befindlichen Klinkerwerk erklärt.
Dennoch zeigt sich eine Systematik im Entstehungsprozess des Konzentrationslagers. So begann zeitnah zur Errichtung des neuen Klinkerwerks der Aufbau des „Schutzhaftlagers“ (Häftlingslager) und des SS‑Lagers. In der Folge der zunehmenden wirtschaftlichen Ausbeutung der Häftlinge entstanden dann die „Metallwerke Neuengamme“ (im SS-Jargon „Fertigungsstelle“ und im Nachhinein nach dem Firmeninhaber „Walther-Werke“ genannt) und zur gleichen Zeit der Industriehof und schließlich die Deutschen Ausrüstungswerke (DAW). Es folgte der weitere Ausbau des „Schutzhaftlagers“, der allerdings nicht mehr abgeschlossen wurde. Geplant war die Errichtung verschiedener „repräsentativer“ Gebäude und eines „KZ‑Wirtschaftshofes“.
Der Eindruck des Provisorischen rührt zum einen von der überwiegenden Verwendung von Holzbaracken – und zwar auch für repräsentative und administrative Zwecke –, vor allem aber von der vielfach „willkürlich“ und „unpraktisch“ erscheinenden Verdichtung des Lagerkomplexes.
Die in anderen KZ üblichen „repräsentativen“ Lagereingänge fehlten sowohl im SS‑Lager als auch im „Schutzhaftlager“. Lediglich zwei Fahnenmasten mit Hakenkreuz- und SS‑Runen-Fahnen markierten den Eingang ins SS‑Lager und erst im Winter 1942 begann der Neubau einer Hauptwache am SS‑Lager-Eingang. Hierdurch entstand jedoch der Eindruck, dass dies der eigentliche Eingang ins Konzentrationslager Neuengamme sei.
In der frühen Grundstruktur des KZ Neuengamme (1940/41) sind einige der mit der Errichtung des KZ Sachsenhausen entwickelten „KZ‑Standards“ erkennbar, obwohl das KZ Neuengamme in seiner planerischen Grundstruktur sehr stark an das KZ Dachau angelehnt scheint. Aber bis 1942 fehlte offensichtlich jegliche übergeordnete Planung. Einzig eine frühe undatierte Planung des Industriehofes weist auch ein „Gelände für die Lagererweiterung“ aus. Der stetige Ausbau des Geländes bzw. der Grundstruktur seit Anfang 1941 war im Wesentlichen eine bauliche Reaktion auf entstehende „Bedürfnisse“ bzw. abhängig von der Tagespolitik und dem Kriegsverlauf. Davon ausgenommen ist der Auf- und Ausbau des kriegswirtschaftlichen Bereichs, der trotz erkennbarer Provisorien insgesamt auf eine zugrunde liegende Planung verweist.
Das einzige ordnende Element im Aufbau des gesamten Konzentrationslagers war die Grundstruktur aus geraden Linien und rechten Winkeln. Die sich daraus ergebende Anordnung der Gebäude auf Achsen trägt einerseits sicherlich dem Bestreben nach einer übersichtlichen und „funktionalen“ Gestaltung des Lagers Rechnung, folgt andererseits aber maßgeblich den topografischen Gegebenheiten der von Entwässerungsgräben durchzogenen Vierlande.
Eine Struktur in der übergeordneten Planung bzw. eine gewisse „städtebauliche Figur“ des Konzentrationslagers zeigt sich erstmals mit dem „Lageplan des K.L. Neuengamme“ vom 5. März 1942, unterzeichnet von SS‑Sturmbannführer Gustav Rall, dem Chef des Amtes CI (Allgemeine Bauaufgaben) im 1942 neu gebildeten SS‑Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA).
Die Neukonzeption umfasste das SS‑Lager, das „Schutzhaftlager“ (Häftlingslager) und den südlich anschließenden neu geplanten Industriehof.
Der Anlage des rechteckigen „Schutzhaftlagers“ wurde ein Achsenkreuz mit dem Appellplatz als Zentrum zugrunde gelegt. Die Nord-Süd-Achse wurde durch die Verlängerung der Mittelachse der Häftlingsbaracken über den Appellplatz hinweg direkt auf den räumlich beherrschenden Mittelbau des Krankenreviers I gebildet und die West-Ost-Achse führte von dem Eingangsgebäude über die Lagerstraße auf das Küchengebäude zu.
Neben einem geplanten „repräsentativen“ Torhaus als Eingangsgebäude wurde der gesamte Einlieferungs-, Kranken- und Krematoriumsbereich überarbeitet bzw. erweitert. Die Effektenkammer und der Arrestbunker (Lagergefängnis) sollten nach dieser Planung abgerissen und der dadurch südlich des Appellplatzes frei werdende Bereich als Grünfläche gestaltet werden. Auf dem südlich anschließenden „Gelände für die Lagererweiterung“ sollten die in drei Komplexe unterteilten Neubauten errichtet werden.
Im Bereich des Industriehofes waren ebenfalls Neubauten vorgesehen, wobei der frühe Entwurf des geplanten Industriehofes als Grundlage in die Gesamtplanung einfloss. Einzig der Bereich der Häftlingsbaracken wurde in seinem Bestand nicht verändert. Die zweigeschossigen Klinkergebäude als Ersatz der bisherigen Baracken waren in diesem Planungsstadium noch nicht vorgesehen. Dies weist darauf hin, dass in dieser Phase das Lager zwar zunehmend auf Dauerhaftigkeit angelegt war, aber noch nicht von einer Erhöhung der Häftlingszahlen ausgegangen wurde.
Doch bereits wenige Tage nach dieser ersten übergreifenden Planung gab der Inspekteur der Konzentrationslager, Richard Glücks, in einer Besprechung am 16. März 1942 bekannt, dass die Konzentrationslager in stärkerem Maße in die Rüstungsproduktion einbezogen werden sollten. Im KZ Neuengamme sollte die Häftlingszahl zu diesem Zweck um „etwa 2000 Arbeitsfähige [...]“ erhöht werden.
Aufgrund dieses verstärkten Engagements der Waffen‑SS in einer SS‑eigenen Rüstungsproduktion wurde die Gesamtplanung des Konzentrationslagers überarbeitet und entsprechend erweitert.
In einer auf den 30. Dezember 1942 datierten Planung wurde neben dem SS‑Lager, dem „Schutzhaftlager“ und dem Industriehof nun auch die seit Herbst 1942 im Bau befindlichen „Metallwerke Neuengamme“ („Walther-Werke“) in die weitere Planung einbezogen. Außerdem wurden Flächen für den geplanten Ausbau des Betriebshofes der Deutschen Ausrüstungswerke (DAW) sowie eines „KZ‑Wirtschaftshofes“ vorgesehen.
Die vorher geplanten Erweiterungsbauten im „Schutzhaftlager“ (Häftlingslager) sind in dieser Planung, wesentlich „grober“ angelegt. Sämtliche Baracken im südlichen Bereich des „Schutzhaftlagers“ sollten abgerissen und ein durchgehender Gebäuderiegel mit vier rechtwinklig südlich anschließenden Flügeln das Lager nach Süden begrenzen. In diesen Gebäudeflügeln sollten die Häftlingswäscherei, das „Krankenhaus“ und die „Aufnahme“ untergebracht werden. Auch ein Neubau der Häftlingsküche war – als östliche Begrenzung des Appellplatzes – in dieser Planung vorgesehen. Das Torhaus blieb in seiner bereits im März 1942 vorgesehen Gestaltung im so genannten „Heimatschutzstil“ Bestandteil der überarbeiteten Planung.
In diesem Planungsstadium wurde auch der Bereich der Häftlingsbaracken in die Überarbeitung einbezogen. Die Holzbaracken sollten abgerissen und durch acht massive Neubauten ersetzt werden, obwohl die nationalsozialistische Bauwirtschaft zu diesem Zeitpunkt, Ende 1942, bereits auf „kriegswichtige Bauten“ beschränkt war. Im KZ Neuengamme dürften hierzu die „Metallwerke Neuengamme“ der Carl Walther GmbH und der Betriebshof der DAW gezählt haben.
Dass die Häftlingszahl erhöht werden sollte, hatte der Inspekteur der Konzentrationslager, Richard Glücks, bereits am 16. März 1942 angekündigt; warum hierfür nicht auf die „bewährte“ Unterbringung in Baracken zurückgegriffen wurde, ist nicht bekannt.
Die Planung vom 30. Dezember 1942 zeigt mit dem nun endgültig festgelegten Standort der „Metallwerke Neuengamme“ im Osten des „Schutzhaftlagers“ ab Herbst 1942 einerseits das zunehmende Interesse der SS an einer direkten Beteiligung in der Rüstungsproduktion, andererseits mit dem ebenfalls östlich vorgesehenen Wirtschaftshof mit Häftlingsschlachterei und Häftlingsbäckerei die angestrebte Autonomie und Selbstversorgung des Konzentrationslagers.
Im Februar 1943 ist dieser Lageplan als „Generalbebauungsplan der Fertigungsstelle und des K.L. Neuengamme F109“ rechtlich abgesichert worden. Die umfangreichen Planungen sind allerdings nur in wenigen Bereichen realisiert worden. Der KZ‑Betrieb der Carl Walther GmbH wurde der Planung entsprechend errichtet. Bei den DAW sind nur einige der Gebäude entstanden, die Planungen zum „KZ‑Wirtschaftshof“ wurden nicht umgesetzt. Im „Schutzhaftlager“ wurden 1943 und 1944 zwei Klinkergebäude (die so genannten Steinhäuser I und II) gebaut. Ab 1943 wurden im Bereich der geplanten Grünfläche die Häftlingskrankenreviere II bis IV und ab 1944 auf dem „Gelände für die Lagererweiterung“ das Häftlingsbordell und das so genannte „Prominentenlager“ als Holzbaracken errichtet.
In der Baugeschichte des KZ Neuengamme zeigt sich, dass sowohl die Entstehung als auch die erste bauliche Entwicklungsphase des Konzentrationslagers durch das Ziel bestimmt wurde, schnellstmöglich mit der Klinkerproduktion in den Vierlanden zu beginnen. Vor allem daraus – und aus der späteren Erweiterung um die Rüstungsbetriebe – lässt sich trotz ab 1942 vorliegender Gesamtplanungen das langjährige planerische „Dauerprovisorium“ KZ Neuengamme erklären. Die Baugeschichte zeigt auch, dass das KZ Neuengamme nie als ein „repräsentatives“, auf eine Außenwirkung zielendes Lager geplant war.
Die Gebäude zeigen eine hierarchische Entwicklung, die sich auch in anderen Konzentrationslagern aufzeigen lässt. Die Gebäude sind in ihrem Baustil im Allgemeinen sehr zurückhaltend, funktional und teilweise gar banal gestaltet.Die traditionelle Hierarchie in der ästhetischen Formgebung von Gebäuden – je größer die funktionale oder soziale Bedeutung, desto größer der gestalterische Aufwand – ist in den Bauten des KZ Neuengamme nur bedingt zu finden. Ästhetisch bzw. durch ihre Größe repräsentativ ausgebildet wurden vor allem die wirtschaftlich bedeutenden Gebäude – das Klinkerwerk und die Metallwerke Neuengamme –, während die in der SS‑Ordensideologie wesentlich wichtigeren SS‑Repräsentationsbauten auffallend schlicht gestaltet wurden.
Im „Schutzhaftlager“ (Häftlingslager) dagegen sind die in der Hierarchie am niedrigsten angesiedelten Gebäude – die Häftlingsunterkünfte – ab 1943 am repräsentativsten ausgebildet worden.
Lediglich das geplante, aber nicht gebaute Torhaus hätte einer landläufigen Vorstellung der Repräsentation von Macht entsprochen.
An der SS‑Hauptwache, dem Torgebäude ins „Schutzhaftlager“ und den Ziergärten im SS‑Lager und im „Schutzhaftlager“ ist in der Gesamtplanung aber das Bestreben ablesbar, eine „gefällige“ Straßenfassade zu präsentieren.
Am 2. Mai 1945 wurde das von der SS geräumte Konzentrationslager Neuengamme von der britischen Armee übernommen. Nachdem die britische Militärverwaltung das Gelände kurzzeitig als Lager für Displaced Persons (DP‑Camp) und als Lager für deutsche Kriegsgefangene genutzt hatte, wurde ab November 1945 ein ziviles Internierungslager, das „Civil Internment Camp No. 6“ (CIC 6), eingerichtet. Der gesamte südliche Bereich des KZ wurde dazu in sieben eigenständige Lager unterteilt. Konzipiert war das CIC 6 für 10 350 Internierte. Der Bereich des SS‑Lagers und des Geländes, auf dem die Zivilarbeitskräfte der „Metallwerke Neuengamme“ der Carl Walther GmbH untergebracht waren, wurde als „Permanent Staff Camp“ zur Unterbringung der britischen Soldaten genutzt.
Am 6. September 1948 wurde das Gelände an die Hamburger Gefängnisbehörde übergeben, die es als „Männergefängnis Neuengamme“ weiternutzte. Anfangs wurde dafür die Unterteilung in die Einzellager des CIC 6 beibehalten. Schrittweise wurde das gesamte Gelände dann bis Mitte der 1950er-Jahre umgestaltet, alle hölzernen Gebäude wurden abgerissen. 1949/50 entstand ein neues Gefängnisgebäude. 1952/53 und 1983 wurden in zwei Umbauphasen weitere Gebäude errichtet.