Häftlingsbordell

Im Rahmen der Einführung eines Prämiensystems zur „Leistungssteigerung“ von Häftlingen wurde ab Ende 1943 auch im KZ Neuengamme am Bau eines Häftlingsbordells geplant, das dann im April/Mai 1944 eingerichtet wurde.

Dazu wurde südlich des „Schutzhaftlagers“ (Häftlingslager) ein Bereich abgezäunt und eine auf Streifenfundamenten gegründete 12 m × 44 m große Baracke errichtet. Der Zugang zu diesem Bereich erfolgte durch einen aufgeständerten Wachturm hindurch. Die Baracke hatte eine zweiflügelige Eingangstür in der nördlichen Stirnseite. Blumenkästen vor den Barackenfenstern sollten eine für eine „gefällige“ Fassade sorgen.

In der Bordellbaracke (im verschleiernden SS‑Sprachgebrauch als „Sonderbaracke bezeichnet) befanden sich „Privaträume“ für die zur Prostitution gezwungenen Frauen, so genannte „Kabinen“ für den Bordellbetrieb und einen gemeinsamen Empfangsraum, der als „Kontaktraum“ diente. Die Innenausstattung war im Verhältnis zu den Unterkunftsbaracken der Häftlinge Baracken gut. Im westlichen Eingangsbereich waren ein Arztzimmer und ein Bad mit Duschen untergebracht.

Der südliche Teil der Baracke ist nicht mehr fertig gestellt worden. Hier war ein gesondertes Bordell für SS‑Angehörige geplant.

Frau X., die im KZ Neuengamme zur Prostitution gezwungen worden war, berichtete 2003:

„[...] bestand aus einem langen Gang in der Mitte. Rechts und links waren diese Zimmer, die Abteile (sehr gut eingerichtet. Mit warm Wasser wohlbemerkt, was wir schon seit Jahren nicht mehr kannten im Häftlingslager. Mit Bidets, eingebauten, alles moderne [...] neue Waschanlagen, mit einer Couch dort, usw. [...] und natürlich einem Sanitätsraum [...]. Durften [...] die SS‑Leute [...] nicht betreten die Zimmer [...] und durften auch nicht betreten den Kontaktraum, also ein größeres Zimmer, möchte ich sagen – ja, so 20, 25 m2 – Zimmer mit Tischen, und da wurden dann die Häftlinge erst mal reingesteckt da, und da sollte der Kontakt hergestellt werden.“

Am 2. Mai 1945 wurde das von der SS geräumte Konzentrationslager Neuengamme von der britischen Armee übernommen. Nachdem die britische Militärverwaltung das Gelände kurzzeitig als Lager für Displaced Persons (DP‑Camp) und als Lager für deutsche Kriegsgefangene genutzt hatte, wurde im November 1945 ein ziviles Internierungslager, das „Civil Internment Camp No. 6“ (CIC 6), eingerichtet. Ursprünglich sollte die Bordellbaracke zusammen mit dem westlich liegenden ehemaligen Sonderlager für französische Prominente den Internierungslagerbereich für Frauen bilden. Aus nicht bekannten Gründen wurde es dann aber als Infektionsbaracke des Krankenreviers genutzt.

Am 6. September 1948 wurde das Gelände an die Hamburger Gefängnisbehörde übergeben, die es als „Männergefängnis Neuengamme“ weiternutzte. Auch hier wurde die Baracke bis zur Eröffnung einer neuen Krankenstation im östlichen Klinkergebäude 1952 als Krankenstation weitergenutzt.