Wachtürme

Gleichzeitig mit dem Aufbau der ersten Unterkunftsbaracken im „Schutzhaftlager“ (Häftlingslager) wurden Mitte 1940 an den Ecken des rechteckigen „Schutzhaftlagers“ vier zweigeschossige hölzerne Wachtürme errichtet. In den Bereichen zwischen den Ecktürmen stand jeweils ein zusätzlicher Wachturm gleicher Bauart. Der westliche und der östliche Turm waren allerdings nach Süden versetzt  sodass ein freier Blick von diesen Wachtürmen auf den Appellplatz möglich war.

Die acht ca. 3 m × 3 m großen und 6,90 m hohen Wachtürme waren gleich konstruiert. Ein massiver, 70 cm hoher gemauerter Klinkersockel trug eine 5,30 m hohe Holzkonstruktion. Vier Stufen führten in die untere Ebene des Wachturms, die neben einer Leiter in das Obergeschoss auch einen kleinen Nebenraum mit einem Fenster aufnahm. Im Obergeschoss, der eigentlichen Wachebene, befand sich ein umlaufendes Fensterband, sodass das Lager in alle Richtungen kontrolliert werden konnte. Hier waren die Wachposten mit ihren Maschinengewehren postiert. Das Dach war als einfaches, flach geneigtes, nach allen vier Seiten abgeschrägtes Teerpappdach.

Ab Sommer 1943 wurden an den Ecken des vergrößerten „Schutzhaftlagers“ im Nordosten, im Südosten und im Südwesten zusätzliche, ca. 5 m × 5 m große Wachtürme errichtet. Im Nordwesten wurde der alte hölzerne Wachturm durch einen 6,30 m × 6,30 m großen Neubau ersetzt, der aufwendig an die im Winter 1942/Frühjahr 1943 neu errichtete SS‑Hauptwache angeschlossen wurde.

Die neuen Wachtürme waren massiv aus Klinkern errichtet und mit ca. 10 m wesentlich höher als die hölzernen Wachtürme. Der Wachturm an der SS‑Hauptwache war mit ca. 13,50 m der höchste.

Die 65 cm dicken Wände dieses Wachturms lassen auf eine zusätzliche Schutzfunktion bei Luftangriffen schließen.

Alle Wachtürme hatten im oberen Geschoss die Wachebene, durch deren breite Öffnungen die MG‑Posten ein weites Beobachtungs- und Schussfeld hatten. Darunter befand sich ein weiteres Geschoss, bei dem nordwestlichen Wachturm waren es zwei weitere Geschosse. Die Geschosse wurden über eine massive Stahlbetonwendeltreppe erreicht. Die Nutzung der Räume ist nicht bekannt, es könnte sich jedoch um Aufenthalts- und Lagerräume gehandelt haben.

In den Außenbereichen des KZ Neuengamme standen zusätzlich kleine, Hochsitzen ähnelnde Wachtürme aus Holz.

Die Zäune verliefen in der Mitte der Wachtürme, es befand sich also die eine Hälfte des Wachturms innerhalb des Lagers, die andere Hälfte außerhalb. Die Eingangstüren befanden sich jeweils an der Lageraußenseite. Der Grund war, dass sich die SS‑Wachmannschaften, die als SS‑Wachverbände bzw. SS-Totenkopfverbände nicht dem Lagerkommandanten unterstellt waren, nicht in persönlichen Kontakt mit den Häftlingen treten sollten. Bei einer eventuellen Flucht hätten die SS‑Männer außerdem sofort die Verfolgung aufnehmen können, ohne ebenfalls die Absperrung überwinden zu müssen.

Um in die Wachtürme zu gelangen, die zum Teil zwischen dem Lagerzaun und dem das Lager umgebenden Graben standen, waren kleine Holzbrücken über die Gräben angelegt worden. Eine Treppe führte an diesen Stellen etwas in die Böschung und die Brücken ermöglichten den Übergang zum Wachturm.

Am 2. Mai 1945 wurde das von der SS geräumte Konzentrationslager Neuengamme von der britischen Armee übernommen. Nachdem die britische Militärverwaltung das Gelände kurzzeitig als Lager für Displaced Persons (DP‑Camp) und als Lager für deutsche Kriegsgefangene genutzt hatte, wurde im November 1945 ein ziviles Internierungslager, das „Civil Internment Camp No. 6“ (CIC 6), eingerichtet. Die vorhandenen Wachtürme wurden zu Bewachung genutzt und zusätzlich kleine, überdachte Wachtürme errichtet, die an Hochsitze erinnerten. Auf Betonpfeilern befand sich bei diesen Türmen ein aus Klinkern gemauerter kleiner Ausguck. Das steile Dach war mit Dachpappe gedeckt. Ein Schornstein lässt auf Beheizung mit einem Ofen schließen. Der Zugang erfolgte über eine kleine, an der Außenwand montierte Eisentreppe.

Noch während der Nutzung als britisches Internierungslager wurde im Januar 1948 der erste steinerne Wachturm des ehemaligen KZ gesprengt.

Am 6. September 1948 wurde das Gelände an die Hamburger Gefängnisbehörde übergeben, die es als „Männergefängnis Neuengamme“ weiternutzte. Im Gefängnisbetrieb wurden die Wachtürme nicht mehr genutzt. Im Laufe des Jahres 1951 wurden zwei weitere Wachtürme des ehemaligen KZ gesprengt. Lediglich der nordwestliche, in die ehemalige SS‑Wache integrierte Wachturm blieb erhalten. Er diente aber nur dazu, eine neue Uhr im Obergeschoss und eine Sirene auf dem Dach zu installieren.