Geländeplan

Rüstungsproduktion

Zwangsarbeit im Nationalsozialismus

Zwangsarbeit im Nationalsozialismus

Etwa 13 Millionen Männer und Frauen aus den von Deutschland besetzten oder abhängigen Ländern mussten während des Zweiten Weltkrieges in den besetzten Gebieten und im Deutschen Reich Zwangsarbeit für die Kriegswirtschaft leisten. Für viele hatte dies schwere seelische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Folgen. Sie mussten nicht nur den Verlust ihrer persönlichen Umgebung und ihrer Heimat bewältigen. Sie erlebten soziale Ablehnung, Diskriminierung und Repressionen bis hin zu staatlich verordneten Tötungen, obwohl die Wirtschaft des Deutschen Reiches ohne sie nicht hätte aufrechterhalten werden können.

Herkunftsländer ausländischer Arbeitskräfte, die 1939 bis 1945 Zwangsarbeit für das „Großdeutsche Reich“ leisten mussten

1.1

Arbeitskräfte aus den besetzten Gebieten

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Bereits zu Beginn des Zweiten Weltkrieges fehlten in Deutschland aufgrund der Einberufungen zur Wehrmacht Arbeitskräfte. Das Problem verschärfte sich, als 1941 nach dem Überfall auf die Sowjetunion die „Blitzkrieg“-Strategie scheiterte. Im Oktober 1941 entschied Hitler, Millionen ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland einzusetzen. Unter dem im März 1942 zum „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“ ernannten thüringischen Gauleiter Fritz Sauckel begann umgehend in großem Umfang die Rekrutierung von Männern und Frauen in den besetzten Gebieten. Vor allem in Polen und der Sowjetunion wurde dabei zunehmend Zwang angewandt. Im Sommer 1944 waren einschließlich der Kriegsgefangenen insgesamt 7,4 Millionen ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter aus vielen Gebieten Europas im Deutschen Reich eingesetzt.


Zwangsarbeit in Hamburg

1.1

Hamburg war nach Berlin die zweitgrößte Stadt des Deutschen Reiches und durch den Hafen ein wichtiges Handelszentrum. Durch neue industrielle Großbetriebe und die Einbindung vieler Unternehmen in die Rüstungsproduktion entwickelte sich die Stadt bis 1939 zum norddeutschen Indus­trie­­zentrum. Trotz Arbeitskräftemangels wurden bis März 1941 jedoch nicht mehr als 9000 ausländische Arbeitskräfte eingesetzt, da die Rüstungsbetriebe nur an Facharbeitskräften interessiert waren. Erst als nach dem Überfall auf die Sowjetunion die Einberufungszahlen zur Wehrmacht stark an­stiegen, erhöhte sich auch die Zahl der ausländischen Zwangsarbei­ter­i­nnen und Zwangsarbeiter. Im September 1944 waren ca. 100.000 Ausländerinnen und Ausländer in Hamburg im „Arbeitseinsatz“ erfasst. Nach Gestapo­unter­lagen waren während der Kriegsjahre insgesamt 400.000 bis 500.000 Zwangsarbeitskräfte in Hamburg eingesetzt.


Zwangsrekrutierung

1.1

Mit der „Dienstverpflichtung“ und dem Verbot, den Arbeitsplatz zu wechseln, begann die Rekrutierung von Arbeitskräften durch die deutschen Besatzungsbehörden in den west- und nordeuropäischen Ländern. Wer sich weigerte, musste mit der Kürzung von Sozialleistungen rechnen und befürchten, dass stattdessen ein anderes Familienmitglied herangezogen würde. Betriebe konnten Aufträge verlieren, wenn sie nicht die festgelegte Zahl von Arbeitskräften zur Verfügung stellten. In Polen hafteten Bürgermeister persönlich für die Bereitstellung der geforderten Arbeitskräfte. Alle „notorisch Arbeitsunwilligen“ und auch unerlaubt aus Deutschland zurückgekehrte, „vertragsbrüchige“ Arbeitskräfte hatten mit Strafen – vom Entzug der Lebensmittelkarten bis hin zur Einweisung in ein KZ – zu rechnen. Razzien mit gewaltsamer Verschleppung der Menschen wurden zunächst in Polen und der Sowjetunion, später auch in Ländern Westeuropas durchgeführt.


Unterbringung in Lagern

1.2

Für die wachsende Zahl ausländischer Arbeitskräfte wurden immer mehr Unterkünfte benötigt. Sie entstanden in öffentlichen Sälen, in Turnhallen oder als eigens errichtete Barackenlager. Für einige der Lager war die „Deu­tsche Arbeitsfront“ (DAF) zuständig, in anderen waren private oder öffen­t­liche Unternehmen für Bewachung und Bewirtschaftung verant­wortlich.Im Frühjahr 1941 ordnete der Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann an, alle ausländischen Arbeitskräfte in Hamburg aus „sicherheitspolitischen“ Grün­den geschlossen in Lagern unterzubringen. Im April 1942 bestanden mindestens 279 solcher Lager für insgesamt 31 000 Menschen. Bis Kriegs­ende stieg die Zahl der Lager auf weit über 1000 an. Sie waren über das gesamte Stadtgebiet verteilt und wurden auf dem Gelände von Betrieben, in Wohn­gebieten oder im Hafen eingerichtet. Ihre Größe war sehr unterschiedlich und reichte von 35 bis zu über 1000 Menschen.


Verpflegung

1.2

Kriegsgefangene und andere Arbeitskräfte aus Polen und der Sowjetunion erhielten im Gegensatz zu den westeuropäischen Arbeitskräften keine Leb­ensmittelmarken. Sie konnten auch nicht in Geschäften einkaufen und in Gastwirtschaften essen, denn das Betreten von Lokalen war ihnen unter Androhung von Strafen verboten.
Während Arbeitskräfte aus Westeuropa Anspruch auf die Verpflegung vergleichbarer deutscher Arbeitskräfte hatten, war das Leben der als „minderwertig“ angesehenen „Ostarbeiterinnen“ und „Ostarbeiter“ von Mangeler­nährung und Hunger geprägt. Das Fehlen von Fett und tierischen Eiweißen führte in Verbindung mit einem starken Vitaminmangel bei der zu leistenden Schwerstarbeit oft zu Ödemen und allgemeiner Schwäche. Die rapide Abnahme der Widerstandskraft hatte vielfach Krankheiten wie Lungentuberkulose zur Folge.


Medizinische Versorgung

1.2

Die medizinische Betreuung orientierte sich ausschließlich an der „Einsatz­fähigkeit“ der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. „Arbeitsunfähige“ galten als „überflüssig“.
Zwar waren die ausländischen Arbeitskräfte nach dem Gesetz bei den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) krankenversichert und hatten An­spruch auf Leistungen, tatsächlich unterlag dies aber der rassistischen Diskri­mi­ni­erung: „Ostarbeiterinnen“ und „Ostarbeiter“ hatten im Krankheitsfall keinen rechtlichen Anspruch auf Leistungen, es bestand lediglich die Mög­lichkeit einer Fürsorgeleistung. Menschen aus Polen und der Sowjetunion durften mit deutschen Patientinnen und Patienten nicht gemeinsam auf einer Station, schon gar nicht in einem Krankenzimmer liegen. Für sie wurden besondere „Aus­­länder­abteilungen“ oder „Ausländerbaracken“ eingerichtet. Lang­fristig Kranke wurden in so genannte Abschiebe- oder Sterbelager gebracht.


Die Bombenangriffe auf Hamburg im Sommer 1943

1.2

Nach den verheerenden Bombenangriffen auf Hamburg im Juli/August 1943 befahl der Höhere SS- und Polizeiführer Graf von Bassewitz-Behr aus Miss­trauen gegenüber den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern deren verschärfte Überwachung und „schärfste“ Maßnahmen bei Aus­schrei­tungen. Mindestens 120 Zwangsarbeiterlager waren völlig zerstört worden. Viele Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter waren in ihren Baracken oder in wenig Schutz bietenden Splitterschutzgräben umgekommen. Von den zuvor 80 000 ausländischen Arbeitskräften befanden sich nach den Angriffen nur noch 27 000 in der Stadt. Viele waren geflohen. Ein großer Teil war in andere Teile Deutschlands abtransportiert und vor­läufig in neuen Betrieben eingesetzt worden. Im November 1943 waren in Hamburg über 11000 ausländische Arbeitskräfte, insbesondere italienische Militärinter­nierte sowie „Ostarbeiterinnen“ und „Ostarbeiter“, für Wieder­aufbau­arbeiten eingesetzt, weitere für die Bergung der vielen Tausend Leichen.


Arbeit und Entlohnung

1.2

In den letzten drei Kriegsjahren waren alle Betriebe Hamburgs – sowohl Rüs­tungsfertigungen als auch Betriebe zur Versorgung der Bevölkerung – auf ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter angewiesen. Währ­end die Arbeitskräfte aus Westeuropa für ihre Arbeit in der Regel den Lohn vergleichbarer deutscher Arbeiter erhielten, unterlagen die „Ostarbei­­t­e­r­­innen“ und „Ostarbeiter“ einer extrem hohen „Russensteuer“. Die ausgezahlten Beträge waren so gering, dass sie davon in den Werks- oder Lager­kantinen nicht einmal das Nötigste kaufen konnten. Die meisten der oft noch sehr jungen ausländischen Arbeitskräfte (häufig Schülerinnen und Schüler) verstanden die deutsche Sprache nicht und waren für die verlangte Arbeit nicht ausgebildet und auch körperlich nicht geeignet.


Kontakte zur deutschen Bevölkerung

1.2

Mit der deutschen Bevölkerung machten die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter äußerst unterschiedliche Erfahrungen. Das Verhalten reichte von rassistischer Feindseligkeit bis zu freundschaftlicher und fürsorglicher Kollegialität.
Der deutschen Bevölkerung war bis ins Detail vorgeschrieben, wie sie sich zu verhalten hatte. Sie sollte Kontakte vermeiden oder – wenn dies nicht möglich war – Distanz wahren und „rassische Überlegenheit“ zeigen. Jede Form von Hilfeleistung oder Unterstützung gegenüber Kriegsgefangenen und „Ostarbeiterinnen“ und „Ostarbeitern“ war mit hohen Strafen bedroht.


Das Straf- und Verfolgungssystem

1.3

Eine große Zahl von Vorschriften reglementierte das Leben der ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Die Übertretung der Aus­gangssperre wurde ebenso mit Strafen belegt wie der Besitz von Fahrrädern und Fotoapparaten, der bloße Verdacht von persönlichen Beziehungen oder gar der Geschlechtsverkehr mit Deutschen. 1942 ging die Verfolgung und Be­strafung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus Polen und von „Angehörigen der Ostvölker“ von den Gerichten weitgehend in die Zu­ständigkeit der Polizei über.
Im Laufe der Jahre wurden einige der Vorschriften gelockert, um einen Anreiz für höhere Arbeitsleistungen zu geben. In den letzten Monaten des Krieges entstanden durch die zunehmende Auflösung der Ordnung außerdem Freiräume, die Kontakte zwischen Ausländerinnen und Ausländern und Deutschen erleichterten. Polizei und Aufsichtskräfte reagierten darauf jedoch mit noch härteren Strafen.


Das „Arbeitserziehungslager“ Wilhelmsburg

1.3

Als ein neues Disziplinierungsinstrument wurde im April 1943 in Hamburg das „Arbeitserziehungslager“ (AEL) Wilhelmsburg errichtet. Die Einrichtung eines solchen Lagers konnte jede Gestapostelle beantragen. Im Deutschen Reich entstanden während des Zweiten Weltkrieges mindestens 85 „Arbeitserziehungslager“. Die örtlichen Gestapo-Ausländerreferate konnten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter für 21 bis 56 Tage einweisen. Sie waren dort einer äußerst brutalen Behandlung und furchtbaren Haft­bedin­gungen ausgesetzt, die denen in Konzentrationslagern gleichkamen. Die AEL-Häftlinge kehrten dann nach ihrer Entlassung mit sichtbaren Zeichen von Misshandlungen an ihre Arbeitsplätze zurück. Ziel der Gestapo war, auf diese Weise die Bestraften ebenso wie die anderen Beschäftigten in den Betrieben abzuschrecken und zu disziplinieren.


Zwangsarbeit von Jüdinnen und Juden sowie von Justizgefangenen

1.3

Die jüdische Bevölkerung Norddeutschlands wurde ab Herbst 1941 in Arbeits- und Vernichtungslager in den besetzten polnischen und sowjetischen Gebieten deportiert. Ausgenommen waren „Mischlinge ersten Grades“ und „jüdisch Versippte“, die zum Teil Zwangsarbeit in ihrer Heimatregion verrichten mussten. So gab es z. B. in Hamburg 1944/45 das „Sonder­kommando J“, das für Aufräumungsarbeiten in zerstörten Stadt­vierteln und Arbeiten auf dem Ohlsdorfer Friedhof eingesetzt wurde. Auch die Strafgefangenen wurden zur Zwangsarbeit herangezogen. So wurden die 370 Frauen und 900 Männer im Hamburger Untersuchungsgefängnis 1944 für kriegswichtige Betriebe beschäftigt. Für 10 bis 15 Reichs­pfennige pro Tag stellten sie unter anderem Messwerkzeuge und Kontroll­apparate her. Gefangene anderer Haftanstalten wurden zum Trümmer­räumen, Torfstechen oder zu landwirtschaftlichen Arbeiten eingesetzt.


Zwangsarbeiter in der Hamburger Kriegswirtschaft 1939-1945

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