Geländeplan

Die Lager-SS

Arbeit und Alltag der Lager-SS

Arbeit und Alltag der Lager-SS

Arbeitsplatz Hauptlager

Die Mehrzahl der insgesamt ca. 4500 SS-Männer im KZ Neuengamme und in den Außenlagern waren Unterführer und Mannschaftsdienstgrade. Die meisten hatten direkten Kontakt zu den Häftlingen. Zum Alltag von Block-, Kommando- oder Rapportführern gehörten Schikanen, Misshandlungen und Morde. Die SS-Sanitäter im Krankenrevier besaßen oft nur geringe medizinische Kenntnisse und bemühten sich kaum, Hilfe zu leisten. Wachposten erschossen Häftlinge, die die imaginäre Grenzlinie – die so genannte Postenkette – übertraten, und erhielten dafür Belohnungen. Die meisten Dokumente über diese Täter sind vernichtet. Vor Gericht mussten sich nur wenige verantworten.

Abteilung I: Kommandantur

4.1

Zur Abteilung I, der Kommandantur und Adjutantur, gehörten die Personalabteilung, die Rechtsabteilung, die Abteilung Waffen und Geräte, die Fotoabteilung, die Ausweisstelle, die Schreibstube, die Fahrbereitschaft, die Nachrichtenstelle sowie die Poststelle, die auch die Überwachung der Häftlingspost vornahm.


Abteilung II: Politische Abteilung

4.1

Die Politische Abteilung vertrat die Geheime Staatspolizei im Lager. Sie wies Häftlinge ein, verhörte sie und registrierte Veränderungen im „Häftlingsbestand“. In Unterabteilungen wie Erkennungsdienst, Aktenverwaltung, Vernehmungsdienst, Standesamt und Krematorium arbeiteten SS-Männer, Zivilisten und auch Funktionshäftlinge, die die SS zur Mitarbeit bei der Lagerorganisation gezwungen hatte.


Abteilung III und III a: Schutz­haftlager und Arbeitseinsatz

4.1

Zur Abteilung III gehörte das im Schutzhaftlager (Häftlingslager) eingesetzte KZ-Personal. Die Rapportführer waren das Bindeglied zum Schutzhaftlagerführer. Sie meldeten täglich den „Häftlingsbestand“, teilten die Dienste der Block- und Kommandoführer ein und überwachten den Vollzug der Lagerstrafen. Die Block­führer waren für die Häftlingsunterkünfte verantwortlich. Außerhalb der Blocks übernahmen die Kommandoführer die Häftlinge. Sie führten die Häftlinge zu den Arbeitskommandos und beaufsichtigten sie dort. Der Arbeitseinsatz der Häftlinge unterstand dem Dienstbereich des Schutzhaftlagerführers „E“, der 1942 als eigene Abteilung III a ausgegliedert wurde.


Abteilung IV: Verwaltung

4.1

Die Aufgaben der Abteilung IV umfassten alle Angelegen­heiten der Unterbringung, Bekleidung, Finanzen und Ver­pflegung der SS und der Häftlinge. Zudem unterstanden der Verwaltungsabteilung die lagereigenen Einrichtungen wie Werkstätten, Küchen und Wäschereien. Die Technische Abteilung hielt die Anlage des KZ, die Unterkünfte und die Ausrüstung instand.


Abteilung V: Medizinische Abteilung

4.1

In den Krankenrevieren im Häftlingslager war die Ausstattung mit medizinischen Geräten äußerst unzulänglich. Auch Medikamente standen nur unzureichend zur Verfügung oder fehlten völlig. Neben den Lagerärzten waren in der Krankenbehandlung SS-Sanitätsdienstgrade eingesetzt, die häufig über keine oder nur geringe medizinische Kenntnisse verfügten. Sie nahmen auch Tötungen von Häftlingen durch Injektionen vor.


Abteilung VI: Schulung/Ausbildung

4.1

Über die Abteilung Schulung im KZ Neuengamme ist bisher wenig bekannt. Schulungsbefehle und Anmerkungen in Privatbriefen einzelner SS-Männer belegen, dass es sowohl im Hauptlager als auch in den Außenlagern weltanschau­liche Unterweisungen gab. In einzelnen Außenlagern hielten Wach­leute und Gastredner Schulungsabende ab.


Wachmannschaften und Hundestaffel

4.1

Die Gesamtstärke der Wachmannschaften im Hauptlager Neuengamme betrug durchschnittlich 500 bis 600 Mann. Ab 1942/43 verstärkte eine Hundestaffel mit 70 bis 80 Hunden die Wachposten.
Auch wenn die Wachposten das Häftlingslager nicht betre­ten durften, standen sie doch mit den Häftlingen in Kontakt. Beim Aus- und Einrücken und bei der Bewachung während der Arbeit entschieden sie über Leben oder Tod. So erschos­sen Wachposten Häftlinge, die sich angeblich „auf der Flucht“ befanden.


Alltag der SS

Im SS-Lager waren bis zu 500 SS-Männer untergebracht; nur wenige – vor allem höhere Dienstgrade – wohnten in der Umgebung. Ihre dienstfreie Zeit verbrachten die SS-Männer innerhalb des SS-Lagers oder nahmen an Angeboten wie Sportveranstaltungen und Feiern teil und organisierten so ihre Freizeit in unmittelbarer Nachbarschaft zum Häftlingslager. Die SS-Angehörigen waren materiell gut versorgt, das Durchschnittseinkommen eines SS-Unterführers entsprach dem eines Angestellten. Bis zum Kriegsende wurden die Lager-SS zudem mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln beliefert.

Freizeit

4.2

Die SS-Männer hatten in der Regel nach dem Abendappell Freizeit bis zum Beginn der Nachtruhe um 24 Uhr. Neben Aktivitäten außerhalb des Lagers wurden für die Unterhaltung der SS innerhalb des Lagers Angebote arrangiert, bei denen sich teilweise auch Häftlinge beteiligen mussten. Gelegentlich wurden in der näheren Umgebung Veranstaltungen für die SS organisiert. Nach Feierabend durften die SS-Männer das SS-Lager verlassen. Ihre Angehörigen konnten sie auch im SS-Lager-Bereich empfangen.


Feiertage: Julfest

4.2

An Feiertagen bekam das KZ-Personal einen halben oder einen ganzen Tag frei. Statt Weihnachten feierte die SS am 21. Dezember das so genannte Julfest. Dazu waren auch die Ehefrauen geladen. Jeder SS-Mann erhielt Alkohol, Bücher und Zigaretten. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Julleuchter überreicht. Als Zugeständnis an die Tradition der Weihnachts­feier fanden in kleinem Rahmen in den Unter­kunfts­baracken und für die Diensthabenden am 24. Dezember auch Feste nach christlichem Brauch statt.


Besoldung

4.2

Das KZ-Personal der SS wurde wie in der Wehrmacht und anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes nach Rang, Alter und Dienstzeit besoldet. SS-Angehörige erhielten freie Unterkunft, Bekleidung, Ausrüstung und Truppenverpflegung. Zusätzlich bekamen sie „Weihnachtszuwendungen“ und pro Kind finanzielle Zuschüsse. Sie verdienten durchschnittlich so viel wie ein Angestellter, im Jahr 1939 monatlich zwischen 180 und 240 Reichsmark.


Bekleidung

4.2

Die SS-Männer trugen Uniformen, die auf dem rechten Kragen­spiegel das Totenkopfsymbol zeigten. Das übrige KZ-Personal, zum Beispiel Angehörige des Heeres oder der Marine, trug in der Regel jeweils die entsprechende Uniform. Jedem SS-Mann standen mehrere Garnituren Bekleidung zu. Im Winter durften die Wachmänner während des Dienstes unter ihrer Uniform wärmende Zivilkleidung tragen. KZ-Häftlinge wurden jedoch bestraft, wenn sie ihre dünnen Häftlingsanzüge mit Stoff oder Papier unterfütterten – auch wenn dies offiziell vom SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt genehmigt worden war.


Verpflegung

4.2

Im Gegensatz zu den KZ-Häftlingen wurde die SS reichlich und gut verpflegt: Lebensmittel- und Delikatessengeschäfte aus Hamburg und Umgebung lieferten qualitativ hochwertige Lebensmittel und auch größere Mengen Bier. In der Kantine konnten SS-Angehörige Zigaretten und Lebensmittel kaufen. Darüber hinaus wurden im KZ Neuengamme Enten, Gänse und Hühner im Auslauf gehalten und Kräuter in dem von Häft­lingen angelegten Kräutergarten gezogen. Neben der Verpfle­gung im SS-Lager nahmen SS-Angehörige auch in Gaststätten der umliegenden Ortschaften ihre Mahlzeiten ein.


Das SS-Lager

4.2

Das SS-Lager Neuengamme bestand 1945 aus vier SS-Unter­kunftsbaracken, zwei Gebäuden des Führerheims (Unter­kunft für Offiziere), der SS-Wache, einem Krankenrevier, einer Küche mit Kantine, zwei Garagen mit Werkstatt und der Waffenmeisterei mit Pferdestall sowie zwei Luftschutzbunkern. Der Appellplatz der SS befand sich im Innenhof der Garagen. Eine Siedlung am Neuen Heerweg (heute Heinrich-Stubbe-Weg), in der die SS-Führer mit ihren Familien in Plattenhäusern wohnen sollten, war bei Kriegsende noch im Bau. Für den KZ-Kommandanten Max Pauly war 1944 ein Wohnhaus errichtet worden, in dem er ab Januar 1945 mit seiner Schwägerin und seinen fünf Kindern lebte.


Die Konzentrationslager-SS und die Region

4.3

Das KZ Neuengamme existierte nicht isoliert von seiner Umge­bung. Zwischen dem KZ bzw. den SS-Angehörigen und der Zivilbevölkerung entwickelten sich zahlreiche private Kontakte und wirtschaftliche Beziehungen, aus denen mehrere örtliche Firmen finanziellen Nutzen zogen. In den Gaststätten der umliegenden Dörfer verkehrten SS-Männer. Manche lernten dort ihre späteren Frauen kennen. Nach Kriegsende blieben einige ehemalige SS-Männer mit ihren Familien in den Vierlanden und in Bergedorf.


April/Mai 1945

4.4

Im April 1945 ließ die SS das Lager räumen. Die Akten der Verwaltung wurden vernichtet, die Häftlinge in „Auffanglager“ wie Wöbbelin oder Bergen-Belsen gebracht, in denen Tau­sende kurz vor und auch noch nach der Befreiung der Lager starben. Die letzten SS-Männer verließen das Hauptlager Neuengamme am 2. Mai 1945. Auf ihr eigenes Wohl bedacht, sicherten sie sich Wertgegenstände und Lebensmittel; einige versteckten und tarnten sich, um nicht als SS-Angehörige erkannt zu werden.
Mehr als 15 000 Häftlinge fanden im Zuge der Lager­räumungen den Tod.