Die Abteilung der KZ-Verwaltung
Geschichte der SS
2.1
Die SS war eine militante politische Organisation, die innerhalb weniger Jahre alle polizeilichen Schlüsselfunktionen besetzte und zu der zentralen Institution des NS-Terrors wurde. Sie verstand sich als Männerorden, als Elite der NS-Bewegung und der Nation. Die Aufnahme von Mitgliedern erfolgte auf Antrag und nach einer erb- und rassenbiologischen Prüfung. Niemand wurde gegen seinen Willen für bestimmte Aufgaben eingesetzt. Berufliche Qualifikationen waren für die Karriere in der SS nicht entscheidend. Der Befehlsbereich des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei, Heinrich Himmler, umfasste eine Vielzahl von Ämtern, Gliederungen und Führergewalten. Bei der Organisation der KZ und des Massenmordes stützte Himmler sich auf die SS, die SS-Totenkopfverbände und die Polizei. Am 30. September 1946 wurde die SS vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zur verbrecherischen Organisation erklärt.
SS-Führer im Einsatz der KZ
2.1
In einer strikt hierarchisch strukturierten Organisation wie der SS hingen Entscheidungen und Vorgehensweisen von den Personen in den verantwortlichen Positionen ab. Verantwortlich für die Lage der Häftlinge im KZ Neuengamme waren neben den jeweiligen Kommandanten der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, Oswald Pohl, seit 1935 SS-Verwaltungschef und 1942 bis 1945 Leiter des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes, und Georg Henning Graf von Bassewitz-Behr, seit 1942 Höherer SS- und Polizeiführer in Hamburg.
Die Inspektion der Konzentrationslager (IKL)
2.1
Neuengamme gehörte neben Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen, Ravensbrück, Auschwitz, Natzweiler-Struthof, Flossenbürg, Stutthof, Lublin-Majdanek, Mauthausen-Gusen und Groß-Rosen zu den Konzentrationslagern, die von der IKL verwaltet wurden. Sie erhielt ihre Weisungen direkt vom Reichsführer SS, Heinrich Himmler. Seit August 1938 hatte sie mit der Führung der SS-Totenkopfverbände ihren Sitz in Oranienburg. Ab 1942 unterstand die IKL als Amtsgruppe D dem SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt. Von hier wurden die vom Reichssicherheitshauptamt und von der Amtsgruppe E
als Leitung der Wirtschaftsbetriebe erlassenen Anordnungen über die Haftbedingungen weitergeleitet. Bau-, Verwaltungs- und Personalangelegenheiten regelten die Amtsgruppen A, B und C sowie das SS-Führungsamt.
Leitung und Organisation der Neuengammer SS
2.2
Die SS organisierte und vollstreckte die KZ-Haft von politischen Gegnerinnen und Gegnern sowie Menschen, die aus rassistischen und anderen Gründen verfolgt wurden. Als „Stammlager“ unterstand das KZ Neuengamme direkt der Inspektion der Konzentrationslager. Neben den Wachmannschaften umfasste es sechs Abteilungen: Kommandantur, Politische Abteilung, Schutzhaftlagerführung und Arbeitseinsatzleitung, Verwaltung, Medizinische Abteilung, Schulung/Ausbildung. Jede Abteilung unterstand fachlich einer übergeordneten SS-Stelle. Die Abteilungsleiter und ihre SS-Mitarbeiter verfügten bei Entscheidungen und Anweisungen über Spielräume. Gefangene wurden gezwungen, als Funktionshäftlinge Aufsichts-, Organisations- und andere Arbeiten zu übernehmen.
1938–1940: Außenlager des KZ Sachsenhausen
2.2
Von Dezember 1938 bis Frühjahr 1940 war das Lager in Neuengamme ein Außenlager des KZ Sachsenhausen und wurde von dort aus verwaltet. Die Wachmannschaften kamen aus dem KZ Buchenwald, während die Häftlinge aus Sachsenhausen nach Neuengamme verlegt worden waren. Willkür und Misshandlungen waren in den ersten beiden Jahren weniger stark ausgeprägt als in den folgenden Jahren.
Die Kommandantur
2.2
Das KZ Neuengamme hatte drei Kommandanten: Walter Eisfeld (1940), Martin Weiß (1940–1942) und Max Pauly (1942–1945). Disziplinarisch unterstanden ihnen sämtliche SS-Angehörige. Sie waren oberste Befehlsinstanz vor Ort und überwachten die Ausführung der Befehle übergeordneter SS-Stellen.
Der Adjutant war zuständig für die Weiterleitung und Durchführung der Kommandanturbefehle und für den amtlichen Verkehr mit den jeweiligen Dienststellen. Die SS- und Polizeigerichtsbarkeit unterstand ab 1942 dem Höheren SS- und Polizeiführer von Hamburg, Georg Henning Graf von Bassewitz-Behr, dessen Vertreter im KZ Neuengamme der Adjutant war.
Die Politische Abteilung
2.2
Die Abteilung II war die Zweigstelle der Geheimen Staatspolizei unter Leitung eines Gestapobeamten, der nicht Mitglied der SS sein musste. 1942 bis 1945 war dies der Kriminalsekretär Otto von Apenburg; wer vorher verantwortlich war, ist nicht bekannt.
Bis 1942 lag die Aufnahme der Häftlinge im KZ Neuengamme in den Händen von Gestapo- und SS-Mitarbeitern. Danach mussten Häftlinge diese Arbeit übernehmen. Bei Fluchten löste die Abteilung II die Fahndung aus und leitete eine Bestrafung ein. Eine gesonderte Abteilung erfasste alle Sterbefälle. 1942 wurde im KZ Neuengamme ein Sonderstandesamt eingerichtet. Dem Leiter, Wilhelm Brake, unterstand auch das Krematorium.
Schutzhaftlagerführung und Arbeitseinsatzleitung
2.2
Der Leiter der Abteilung III, verantwortlich für das Häftlingslager, bestimmte die Lagerordnung und den Tagesablauf der Häftlinge. Er war der mächtigste SS-Führer nach dem Kommandanten und hatte mehrere Stellvertreter.
Die SS zwang Häftlinge, bestimmte Funktionen zu übernehmen: als Lagerälteste, Blockälteste und Kapos mit Kommando- und Strafbefugnis; als Funktionshäftlinge in Büros, Kammern, Küchen und im Krankenrevier; als Handwerker, Läufer, Friseure und Kalfaktoren.
1942 wurde der Arbeitseinsatz als Abteilung III a ausgegliedert und innerhalb des SS-Wirtschafts- Verwaltungshauptamtes dem neuen Amt D II „Arbeitseinsatz der Häftlinge“ zugeordnet: Die Arbeit wurde zentraler Bestandteil des Terrors, die Häftlinge sollten „Gewinn bringend“ Zwangsarbeit leisten.
Die Verwaltung
2.2
Die Abteilung IV, von Otto Barnewald als Leiter 1940 bis 1942 aufgebaut, war wesentlich verantwortlich für die schlechte Versorgung der Häftlinge. In ihrer Macht hätte es gestanden, die Unterbringung zu verbessern und dafür zu sorgen, dass SS-Männer sich nicht die für Häftlinge bestimmten Lebensmittel und andere Bedarfsgüter aneigneten und für eigene Zwecke verschoben. Der letzte Leiter der Abteilung IV, Christoph Gehrig, organisierte im April 1945 die Verbringung der Häftlinge auf die Schiffe in der Lübecker Bucht.
Die Medizinische Abteilung
2.2
Der SS-Standortarzt, verantwortlich gegenüber dem Amt für Sanitätswesen und Lagerhygiene im SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt, leitete die Abteilung V. Ihm unterstanden die Lagerärzte, die für die Hygiene, die Gesundheit der SS-Angehörigen und der Häftlinge sowie für medizinische Versuche verantwortlich waren. Die Bedingungen, die die SS im Krankenrevier des Häftlingslagers schuf, machten die Behandlung schwererer Erkrankungen unmöglich. Ärzte unter den Häftlingen wurden bis 1942 nicht als Häftlingsärzte eingesetzt, sodass Häftlingspfleger ohne Fachkenntnisse medizinische Eingriffe an Häftlingen vornehmen mussten.
Die Abteilung Schulung/Ausbildung
2.2
Die Abteilung VI bestand im KZ Neuengamme vermutlich ab 1940. Es fanden regelmäßig ideologische Schulungsabende sowie Vorbereitungen auf den Wachdienst für neue Angehörige der Wachmannschaften statt. 1944/45 wurden im Hauptlager auch SS-Aufseherinnen für ihre künftigen Aufgaben geschult. Der Posten des Leiters war längere Zeit unbesetzt. Bis Sommer 1944 war Paul Meinhardt Leiter der Abteilung, Ende 1944 bis April 1945 Erwin Seifert.
Die Wachmannschaften
2.2
Die Kommandeure der Wachmannschaften unterstanden dem Führer der SS-Totenkopfverbände in Oranienburg und erhielten die Befehle aus dem SS-Führungshauptamt. Im KZ Neuengamme versahen drei, teilweise vier Wachkompanien, als Sturmbann zusammengefasst, den Dienst bei der Bewachung des Lagers und der Arbeitskommandos außerhalb des Lagers. Für die Bewachung der Außenlager wurden 1944/45 zusätzlich Angehörige von Wehrmacht, Marine, Zoll, Polizei und Reichsbahn verpflichtet, die keine SS-Mitglieder waren. Für die Bewachung der weiblichen Häftlinge in den Außenlagern wurden ab 1944 auch SS-Aufseherinnen herangezogen.
Nicht alle Namen der Kommandeure der Wachmannschaften sind bisher bekannt. 1942/43 hatte diese Funktion SS-Ober-sturmführer Arnold Büscher inne, im Sommer 1944 SS-Unter-sturmführer Gerhard Poppenhagen sowie SS-Obersturmführer Karl Wiedemann, danach SS-Standartenoberjunker Max Kirstein.