Geländeplan

Gefängnisse und KZ-Gedenkstätte: Dokumentation eines Widerspruchs

Gefängnisse und KZ-Gedenkstätte: Dokumentation eines Widerspruchs

Mauerüberrest

An dieser Stelle – auf dem Gelände der Tongruben des KZ-Klinker­werks – wurde 1970 die Jugendanstalt Vierlande in Betrieb genommen. 2007 wurde der 149 m × 220 m Meter große Komplex abgerissen. Dieses Fragment der fünf Me­ter hohen Außenmauer blieb stehen, um die Nachnutzung zu dokume­ntieren.

Gefängnisse und KZ-Gedenkstätte: Dokumentation eines Widerspruchs

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An diesem Ort der ehemaligen Tongruben im Konzentrationslager Neuengamme stand von 1970 bis 2006 die Justizvollzugsanstalt Vierlande (JVA IX). Schon 1948 war im ehemaligen „Schutzhaft­lager“, dem Häftlingslager des KZ, ein erstes Gefängnis (JVA XII) eingerichtet worden.
Proteste der ehemaligen Häftlinge und ihrer Verbände und öffentliche Kritik an der geschichtsverdrängenden Nutzung des Geländes führten erst in den 1980er-Jahren zu einem Umdenken in der Politik. Vom Beschluss 1989, mit der JVA XII das erste der Gefäng­nisse zu verlagern, bis zum Abriss 2003 vergingen noch einmal 14 Jahre. 2006 wurde schließlich auch die JVA IX geräumt und abgerissen.
Diese Ausstellung stellt Hintergründe und Umstände der Errichtung und des späteren Abrisses der beiden Gefängnisse dar. Weitere Informationen finden Sie in der Dauerausstellung der KZ-Gedenk­stätte Neuengamme „Zeitspuren: Das Konzentrationslager Neuen­gamme 1938–1945 und seine Nachgeschichte“.


Das britische Internierungslager

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Im April 1945 räumte die SS das Konzentrations­la­ger Neuengamme vollständig. Ein 700 Mann starkes Häftlingskommando musste bis zu seinem Abzug Spuren der Verbrechen beseitigen: Akten wurden verbrannt, der Unrat aus Baracken entfernt, Prügel­bock und Galgen beseitigt und Arrest­bunker und Krema­torium gereinigt und geweißt. Die britischen Truppen fanden das Lager gereinigt vor und nutzten das ehemalige KZ weiter. Bis 1948 diente es als Internierungslager.


Entscheidungen 1947

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In der Hamburger Gefängnisbehörde bestanden bereits seit Anfang 1947 Überlegungen, in dem als britisches Internierungslager genutzten ehemaligen KZ Neuengamme ein Gefängnis einzurichten. Das Ziel, den Mangel an Haftplätzen zu beseitigen, verband sich dabei mit dem Interesse an einer Verdrän­g­ung der Geschichte, denn die Stadt Hamburg war am Betrieb des KZ Neuengamme beteiligt gewesen.


Das „Männergefängnis Neuengamme“

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Nachdem die Hamburger Gefängnisbehörde 1948 das britische Internierungslager übernommen hatte, richtete sie hier das „Männergefängnis Neuen­gamme“ ein. 1950 wurde ein neues Zellengebäude errichtet und bis 1957 das gesamte Lager zu einem modernen Gefängnis umgebaut. Diese Struktur und der Gebäudebestand blieben bis Anfang der 1980er-Jahre unverändert.


Die „Jugendanstalt Vierlande“

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Seit 1954 bestanden Überlegungen, südlich des Männergefängnisses Neuengamme ein Zuchthaus für 700 Gefangene zu errichten. Ab 1962 wurde dann die Errichtung einer Jugendstrafanstalt nördlich des Gefängnisses geplant, die 1970 schließlich als „Jugendanstalt Vierlande“ auf dem Gelände der ehemaligen Tongruben entstand.


Gefängnisse und Gedenkstätte: Konflikte und Nachbarschaft

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Seit Einrichtung des Männergefängnisses Neu­en­gamme bestand ein Konflikt zwischen der Nutz­ung des Geländes als Gefängnis und dem Wunsch der ehemaligen Häftlinge, ihrer ermordeten Kamera­den zu gedenken. Die Gefängnisbehörde war be­müht, das Gedenken vor Ort zu verhindern und die vor­herige Nutzung des Gefängnisses aus der Erinne­r­ung zu streichen. Erst nach und nach bildete sich ein „nachbarschaftliches“ Verhältnis zur Gedenk­stätte heraus.


Proteste gegen die Justizvollzugsanstalten

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Bis in die 1970er-Jahre wurde der Protest gegen die Strafanstalten weitgehend allein von den ehemaligen Häftlingen getragen. Zunächst wurde vor allem ein freier Zugang zum ehemaligen Lagergelände gefordert, um der Ermordeten am historischen Ort gedenken zu können. Später wurde auch die Nut­zung als Gefängnis kritisiert. Erst Ende der 1970er-Jahre engagierten sich auch örtliche Initiativen für den Ausbau der Gedenkstätte und unterstützten den Protest der ehemaligen Häftlinge.


Der Ausbau der Justizvollzugsanstalt Vierlande

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Seit 1977 plante die Justizbehörde, die Justizvollzugsanstalt (JVA) Vier­lande nach den Anforderungen eines modernen Straf­vollzugs zu erweitern. Mehrere Neubauten mit Einzelzellen sollten die bisherigen Mehrbettzellen ersetzen. Nach Protesten bekannten sich Justiz­senator Wolfgang Curilla (SPD) und Erster Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) 1989 schließlich zur Unvereinbarkeit von Strafvollzug und Gedenken.


Der Beschluss zur Verlagerung der JVA XII

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Nachdem Justizsenator Wolfgang Curilla (SPD) und Erster Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) die Nichtver­ein­barkeit von Strafanstalt und Gedenkstätte erklärt hatten, befasste sich auch der Hamburger Senat mit dem Vorschlag und kam zu dem Ergebnis, dass die Würde des Ortes keine weitere „Überlagerung“ durch Vollzugszwecke zulasse.


Der lange Weg bis zur Verlagerung der JVA XII

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Trotz des Beschlusses der Bürgerschaft erfolgte die Verlagerung der Justizvollzugsanstalt XII erst nach 14 Jahren, da sich der Bau des notwendigen Ersatz­gefängnisses immer wieder verzögerte.
Nach der Bürgerschaftswahl 2001 wurde der Be­schluss zur Verlagerung der Justizvollzugsanstalt durch den neuen Senat sogar noch einmal grundsätzlich infrage gestellt.


Die Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

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Angelehnt an die 1992 erarbeiteten Empfehlungen der Senatskommission wurden die nicht historischen Gefängnisgebäude abgerissen und die Baracken­­sta­ndorte und die Zaunverläufe markiert.
Mehrere Ausstellungen zur Geschichte des KZ Neu­en­gamme und seiner Nachgeschichte wurden erarbeitet. Am 4. Mai 2005 wurde die neu gestaltete KZ-Gedenkstätte feierlich der Öffentlichkeit übergeben.

Die Verlagerung der Justizvollzugsanstalt IX

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Kurz vor Abschluss der Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte verkündete Justizsenator Roger Kusch (CDU) im August 2004 überraschend, auch die JVA IX werde geschlossen und künftig als sozialtherapeutische Anstalt genutzt. Proteste sowie die erheblichen Umbaukosten, vor allem aber die Erkenntnis des Ersten Bürgermeisters, Ole von Beust, dass damit die un­sensible Nachnutzung des Geländes fortgeschrieben würde, führten zu einem Umdenken des Senats und zur vollständigen Aufgabe der Strafanstalt.