Geländeplan

Zeitspuren

Nachnutzung des Geländes

Nachnutzung des Geländes

Die ersten Nachkriegsmonate

Am Abend des 2. Mai 1945 erreichten britische Soldaten das KZ Neuengamme und fanden das Lager weitgehend verlassen vor. Da Gebäude und Infrastruktur auch weiterhin als Massenunterkunft geeignet schienen, wurden noch im selben Monat ehemalige sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem Hamburger Raum dort untergebracht und versorgt. Gleichzeitig wurden in andere Teile des Lagers deutsche Kriegsgefangene eingewiesen; internierte Angehörige der Waffen-SS und Zivilinternierte kamen hinzu. 1948 übernahm die Stadt Hamburg das britische Internierungslager und nutzte das Gelände für den Strafvollzug.

Britische Filmaufnahmen des geräumten KZ Neuengamme

9.0

Ankunft der britischen Armee

9.1

Wenige Stunden, nachdem am 2. Mai 1945 die letzten SS-Angehörigen das KZ verlassen hatten, erreichten die ersten britischen Soldaten das Lager. In den darauf folgenden Tagen besichtigten Angehörige der britischen Armee auf der Suche nach geeigneten Massenunterkünften das Gelände und trafen dabei auf einzelne ehemalige Häftlinge, die sich versteckt hatten oder in das Lager zurückgekehrt waren. Sie zeigten den Soldaten und den eintreffenden sowjetischen „Displaced Persons“ und deutschen Kriegsgefangenen das Gelände und berichteten über das Konzentrationslager. Teile des Lagers waren von der Bevölkerung und von „Displaced Persons“ geplündert worden. Zum Aufräumen forderten britische Einheiten daher vom Arbeitsamt Bergedorf Arbeits­kräfte an. Ende Mai 1945 wurde das Lager dann mit kriegsgefangenen Angehörigen der Waffen-SS belegt.


Die Entstehung des Internierungslagers

9.1

Im Mai 1945 waren Kriegsgefangene und mehrere Tausend ehemalige sowjetische Zwangsarbeiterinnen und Zwangs­arbeiter in Neuengamme untergebracht, die nach kurzer Zeit repatriiert wurden. Danach diente das Lager als Sammellager für internierte Angehörige der Waffen-SS. Am 30. Mai war das ehemalige KZ Neuengamme mit mehr als 10 000 Personen belegt. In den folgenden Monaten änderte sich die Zusammensetzung der Internierten laufend: Als „harmlos“ eingestufte Mitglieder der Waffen-SS wurden in andere Lager oder in Sperrgebiete verlegt, ausländische SS-Angehörige nach Möglichkeit repa­triiert. Das als Übergangslösung gedachte Lager entwickelte sich zu einer Dauereinrichtung. Zunehmend wurden auch zivile Funktionsträger des NS-Staates eingewiesen, die in Hamburg und Schleswig-Holstein verhaftet worden waren.


Das Internierungslager

Nach den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 wurden in den vier Besatzungszonen Deutschlands ca. 320 000 Deutsche interniert, davon etwa 93 000 in der britischen Zone. Hierfür wurden auch frühere Konzentrationslager genutzt wie Neuengamme in der britischen, Dachau in der US-amerikanischen sowie Buchenwald und Sachsenhausen in der sowjetischen Besatzungszone. Das Lager in Neuengamme hieß seit dem November 1945 offiziell „Civil Internment Camp No. 6“ (CIC). Es bestand bis August 1948. Die Mehrzahl der Internierten waren SS-Angehörige und Funktionsträger des NS-Staatsapparates.

Die Internierten

9.2

Unter dem Eindruck der NS-Verbrechen hatten die Alliierten frühzeitig Maßnahmen beschlossen, um den Nationalsozialismus in der deutschen Gesellschaft einzudämmen. Folgende Personengruppen sollten nach einem alliierten Sieg automatisch interniert werden („Automatic Arrest“): Funktionsträger der NSDAP, Mitarbeiter von Gestapo und SD und SS-Angehörige. Unter den Angehörigen der Waffen-SS waren auch Nichtdeutsche. In den Internierungslagern aller Zonen wurden außerdem mutmaßliche Kriegsverbrecher und aus Sicherheitsgründen Internierte festgehalten.


Stele: Das Internierungslager Neuengamme

9.2

Plakate, Programme und Listen von 1946.
Die Dokumente spiegeln den Alltag und das
Selbstverständnis der Internierten wider.
Die Materialien stammen überwiegend aus
der Sammlung des ehemaligen Internierten
Heinz Volker, der in der Kulturstelle des
Lagers Neuengamme tätig war.
Reproduktionen.

(ANg)

Vitrine: Das Internierungslager

9.2

Das Transitcamp

9.2

Dem Internierungslager war seit Herbst 1946 ein Transitcamp für aus dem Ausland ausgewiesene deutsche Männer, Frauen und Kinder angeschlossen. Dieses Lager war das einzige seiner Art in der britischen Besatzungszone. Die Ausgewiesenen kamen aus vielen Ländern Europas, Afrikas und Asiens. Dort waren sie häufig schon zu Kriegsbeginn interniert worden. Ein großer Teil waren Missionare und deren Familien, die nun in Neuengamme von christlichen Hilfswerken unterstützt wurden. Nach einer kurzen Überprüfung konnten die meisten Rückkehrer das Lager nach wenigen Tagen wieder verlassen. Stellte sich bei den Vernehmungen jedoch heraus, dass die Befragten eine Funktion in der Auslandsorganisation der NSDAP bekleidet hatten oder der Spionage verdächtig waren, wurden sie in das benachbarte CIC 6 verlegt.


Verwaltung und Alltag

9.2

Die anfangs sehr harten Lebensbedingungen im CIC 6 ver­besserten sich mit der Zeit. Internierte wurden an der Verwaltung des Lagers beteiligt. Da die Arbeitseinsätze frei­willig waren, hatten die Gefangenen viel Freizeit, in der sie – unterstützt von den Kirchen und Hamburger Behörden – vielfältige kulturelle Aktivitäten entwickelten. Sie gaben Konzerte, führten Theaterstücke auf, hielten Vorträge und bildeten sich in Arbeitsgemeinschaften fort. Im Sommer 1947 führten britische Fachleute im Lager einen Modell­versuch durch, mit dem Ziel, Nationalsozialisten zu Demokraten umzuerziehen.Viele Internierte wurden nach Einzelfallprüfungen oder aufgrund von Amnestien entlassen. Wer einer der vom Inter­na­tio­nalen Militärgerichtshof in Nürnberg als verbrecherisch erklärten Organisationen angehört hatte, durchlief vor seiner Entlassung ein Verfahren vor dem Spruchgericht in Bergedorf.


Die Justizvollzugsanstalten

Nach der Auflösung des Internierungslagers im Jahr 1948 übernahm die Freie und Hansestadt Hamburg Gelände und Gebäude des ehemaligen Konzentrationslagers. Im Bereich des ehemaligen Häftlingslagers wurde das „Männergefängnis Neuen­gamme“ (später „Justizvollzugsanstalt XII“) eingerichtet, für das 1949/50 auch ein Gefängnisneubau entstand. Diese Justizvollzugsanstalt ist nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen im Juni 2003 nach Billwerder verlegt worden. Auf den ehemaligen Tongruben wurde Ende der 1960er-Jahre ein weiterer Gefängnis­neubau errichtet, der seit 1970 erst als Jugendanstalt, dann als Justizvollzugsanstalt IX genutzt wurde. Im Februar 2005 kündigte die Hamburger Justizbehörde auch die Schließung dieses Gefängnisses bis zum Jahresende 2005 an. Nach dem Abriss wurde das Gelände im Mai 2007 an die KZ-Gedenkstätte Neuengamme übergeben.

Die Justizvollzugsanstalt XII

9.3

Im Februar 1948 bezogen 40 Gefangene und acht Beamte das Klinkerwerk und begannen mit Aufräum- und Reparatur­arbeiten. Am 6. September des Jahres wurde dann auf dem Gelände des ehemaligen Häftlingslagers das „Männer­gefängnis Neuengamme Anstalt XII“ feierlich eröffnet. Die halb offene, später offene Justizvollzugsanstalt galt als beispielhaft für den liberalen Strafvollzug in Hamburg. Untergebracht waren zunächst erwachsene Männer, ab 1995 gab es auch eine Abteilung für Frauen. Die Justizvollzugsbeamten waren anfangs im ehemaligen SS-Lager untergebracht, 1953 wurde für sie eine eigene Sied­lung im nördlichen Lagerbereich fertig gestellt. Zu dem 1949/50 im Bereich des ehemaligen Häftlingslagers errichteten Zellenbau kamen im Lauf der 1980er-Jahre weitere Neubauten hinzu.


Stele: Die Justizvollzugsanstalt XII

9.3

Die Justizvollzugsanstalt IX

9.3

Bereits 1955 plante die Stadt Hamburg einen Gefängnis­neubau in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Lagergeländes. Das Zuchthaus Fuhlsbüttel sollte aufgelöst und bis zu 700 Gefangene sollten in einer neu errichteten Anlage südlich des „Männergefängnisses Neuengamme“ (der späteren „Justizvollzusanstalt XII“) untergebracht wer­den. Dieser Plan wurde Ende der 1950er-Jahre aufgegeben. Stattdessen wurde nördlich des „Männergefängnisses Neuengamme“ die „Jugendanstalt Vierlande“ (später „Justizvollzugsanstalt IX“) errichtet. Hier waren 300 jugendliche Untersuchungshaft- und Strafgefangene untergebracht, bis Anfang der 1990er-Jahre der gesamte Jugendstrafvollzug nach Hahnöfersand verlegt wurde.
Seitdem verbüßten dort erwachsene Männer ihre Freiheitsstrafen. Die „historische Verantwortung gegenüber den Opfern und ihren Hinterbliebenen“ war einer der Gründe für den am 28. Februar 2005 bekannt gegebenen Beschluss der Justizbehörde, die „Justizvollzugsanstalt IX“ zu schließen. Nach der Räumung des Gebäudes 2006 wurde es 2007 abgerissen.


KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Transformation eines Ortes 1945–2005

9.1