Geländeplan

Zeitspuren

Weiterleben nach der Befreiung

Weiterleben nach der Befreiung

Leben nach dem Überleben

Die Befreiung aus den Konzentrationslagern erlebten die Überlebenden auf unter­schiedliche Weise. Viele von ihnen litten an den Folgen der Haft und wurden in Krankenhäusern versorgt. Bevor die nach Deutschland Verschleppten in ihre Heimatländer zurückkehren konnten, wurden sie zunächst als „Displaced Persons“ in Lagern untergebracht. Nicht alle wünschten jedoch eine Rückkehr: Zahlreiche Überlebende wollten in die USA oder nach Palästina emigrieren, einige aber auch in Deutschland bleiben. Ehemalige politische Häftlinge bildeten in Deutschland und in ihren Heimatländern Lagergemeinschaften und Verfolgtenverbände und forderten Entschädigung.

Erholung nach der Haft

8.1

Die ersten Wochen und Monate nach ihrer Befreiung ver­brachten viele Überlebende in Lagern für „Displaced Persons“. Die Kranken wurden in Lazaretten oder Sanatorien in Ham­­­burg und Schleswig-Holstein medizinisch versorgt. Viele von ihnen litten unter ansteckenden Krankheiten und standen unter Quarantäne. Ehemalige politische Häftlinge des KZ Neuengamme richteten im Hamburger Umland Erholungsheime ein und halfen den Überlebenden bei der Suche nach Angehörigen. Trotz der Betreuung unmittelbar nach der Befreiung hatte die KZ-Haft für viele Überlebende körperliche und seelische Langzeitfolgen, die sie ihr ganzes Leben begleiteten.


Repatriierung und Emigration

8.1

Im Verlauf des Krieges waren mehr als 10 Millionen auslän­di­sche Arbeitskräfte in der deutschen Kriegswirtschaft eingesetzt worden. Nach der Befreiung standen die Alliierten vor dem Problem, die Rückkehr dieser ehemaligen Zwangs­arbeiterinnen und Zwangsarbeiter und Häftlinge in ihre Heimatländer zu organisieren. So existierten manche Lager für „Displaced Persons“ jahrelang.
Aus Osteuropa nach Deutschland verschleppte Menschen gingen oft nicht freiwillig in ihre Heimatländer zurück, weil sie Repressionen befürchteten. Doch auch die Überlebenden, die in ein westeuropäisches Land zurückkehrten, wurden von ihren Landsleuten nicht immer willkommen geheißen.
Viele – vor allem jüdische – Überlebende beschlossen, nach Palästina bzw. Israel, Kanada oder in die USA zu emigrieren. Doch das Warten auf Einreisevisa dauerte häufig Jahre.


Entschädigung

8.1

Deutsche Überlebende, die eine Verfolgung aus politischen, „rassischen“ oder religiösen Gründen nachweisen konnten, erhielten regional unterschiedliche Leistungen, die 1953 mit dem Bundesentschädigungsgesetz vereinheitlicht wurden. Andere Verfolgte und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter blieben ausgeschlossen. Mit Israel und westlichen Staaten schloss die Bundesrepublik Wiedergutmachungsabkommen, osteuropäischen Überlebenden und im Kalten Krieg auch einigen deutschen verfolgten Kommunisten wurde lange Zeit eine „Wieder­gutmachung“ verweigert. In der DDR wurden Verfolgte in „Kämpfer gegen den Faschis­mus“ und „Opfer des Faschismus“ unterteilt und unterschiedlich entschädigt; auch hier blieben ganze Verfolgten­gruppen unberücksichtigt. Im August 2000 nahm – für die meisten Überlebenden zu spät – die Stiftung zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ihre Arbeit auf.


Weiterleben nach der Befreiung – Erinnerungen ehemaliger Häftlinge

8.1

Verfolgtenverbände

In vielen Ländern Europas schlossen sich ehemalige Häftlinge in Vereinigungen und Freundeskreisen zusammen. Ein wesentliches Ziel war, die Erinnerung an die nationale Widerstandsgeschichte wach zu halten. Die Bedeutung der Verbände wie auch die Möglichkeiten ihrer politischen Einfluss­nahme waren in den ost- und westeuropäischen Ländern sehr unterschiedlich. Im Jahr 1958 wurde als internationaler Zusammenschluss ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme in Brüssel die „Amicale Internationale de Neuengamme“ (AIN) gegründet. Ohne ihren Einsatz gäbe es die heutige Gedenkstätte in Neuengamme nicht.

Häftlingsverbände in Deutschland

8.2

Die ersten KZ-Überlebenden organisierten sich sofort nach ihrer Befreiung. In Hamburg gründeten sie das „Komitee ehemaliger politischer Gefangener“. Sie bemühten sich um soziale Betreuung, forderten Entschädigung für die KZ-Haft, Straf­verfolgung der Täter und Entnazifizierung, dokumentierten die Verbrechen und führten Gedenkfeiern durch. Aus dem „Komitee“ entstand die Hamburger „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN). Im Kalten Krieg wurde die VVN Anfang der 1950er-Jahre in einigen Bundes­ländern verboten (in Hamburg 1951). In der DDR wurde die VVN aufgelöst und durch das „Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer“ ersetzt. Überlebende des KZ Neuengamme gründeten 1948 die anfangs gesamtdeutsche „Arbeitsgemeinschaft Neuengamme“ (AGN). In der DDR gab es seit 1965 eine eigene Lagergemeinschaft. 1958 war die AGN Mitbegründerin der „Amicale Internationale de Neuengamme“ (AIN).


Die Amicale Internationale

8.2

Die Geschichte der Neuengamme-Lagergemeinschaften ist wesentlich durch die Nachkriegsgeschichte der einzelnen Länder und den Kalten Krieg geprägt. In Frankreich und Belgien organisierten sich heimgekehrte Überlebende des KZ Neuengamme bereits 1945. In Osteuropa konnten sich Überlebende dagegen meist nur staatlichen Kriegsveteranenverbänden anschließen. Doch hielten ehemalige Häftlinge des KZ Neuengamme auch inter­national untereinander Kontakt. Im Jahr 1958 gründeten die belgische, die französische und die deutsche Lager­­gemein­schaft die „Amicale Internationale de Neuengamme“ (AIN). Ihr schlossen sich weitere nationale Verbände an. Dieser internationale Dachverband hat maßgeblich dazu bei­getragen, dass die Geschichte des KZ Neuengamme nicht in Vergessenheit geriet.


Vitrine: Verfolgtenverbände

8.2

Die Zweite Generation

Kinder ehemaliger KZ-Häftlinge sind durch die Erfahrungen ihrer Eltern auf unterschiedliche Weise geprägt. Für den Umgang mit diesen Erfahrungen in den Familien spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: der Haftgrund, die Erfahrung von Gewalt und Tod während der Haft oder auch der Umgang der Mutter bzw. des Vaters mit der eigenen Geschichte. Die Gefühle der Kinder reichen von Glorifizierung bis zu Hass. Gemeinsam ist jedoch vielen, dass sie der Haft­erfahrung der Mutter oder des Vaters eine maßgebliche Bedeutung für das eigene Leben beimessen.

8.3