Im Mai 1940 forderte die SS‑Verwaltung alle Einheiten der Waffen‑SS auf, die Möglichkeiten des Aufbaus von Angorakaninchenzuchten zu prüfen. Die Wolle der Kaninchen sollte zur Herstellung besonders wärmender Kleidungsstücke vor allem an die Luftwaffe geliefert werden.
Im KZ Neuengamme wurde daraufhin eine Angorakaninchenzucht aufgebaut. Die Außenstelle des SS‑Hauptamtes Haushalt und Bauten Neuengamme meldete bereits im Herbst 1940, dass der Bau der Kaninchenställe Fortschritte mache.
Erstmals wird der nur 15 m östlich des Arrestbunkers (Lagergefängnis) errichtete Kaninchenstall in einem Lageplan der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn AG (BGE) vom Januar 1941 ausgewiesen.
Anfangs betrug der Bestand 72, im Februar 1945 dann nach einer Aufstellung des SS‑Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes (WVHA) 2109 Angorakaninchen.
Die großzügige Stallung bestand aus einem in Ost-West-Richtung ausgerichteten eineinhalbgeschossigen Kopfgebäude, in dem sich im Erdgeschoss ein Büro (der Kommandoführer Hugo Schnepel gibt an, dass es sich dabei um eine Wohnung gehandelt habe in der er überwiegend gewohnt habe) und im niedrigen Obergeschoss ein Lagerraum für Heu oder Ähnliches befanden. An das mit 4,25 m Tiefe sehr schmalen Gebäude schlossen nördlich zwei ca. 27 m lange Flügel mit den Ställen an. Die Flügel waren mit einer Tiefe von 5,30 m nur unwesentlich breiter als das Kopfgebäude. Der Abstand zwischen den Flügeln betrug 6–7 m.
Der Kaninchenstall war verputzt und weiß gestrichen. Das Hauptgebäude hatte ein mit Teerpappe gedecktes Satteldach. Die Seitenflügel hatten jeweils ein flach geneigtes, ebenfalls mit Teerpappe gedecktes Pultdach. Die dem Innenhof zugewandte Seite war 3,75 m und die äußere Seite 4,25 m hoch.
Nachdem die Zahl der Kaninchen ständig stieg, wurden ab einem nicht bekannten Zeitpunkt südlich des Stalles zusätzliche Holzverschläge aufgestellt.
Im Gegensatz zur strengen Funktionalität des Gebäudes zeigte die Fassadengestaltung des Innenhofs zwischen den Flügeln „heimelige“ Elemente und demonstrierte damit die Bedeutung der Angorakaninchenzucht für die wirtschaftlichen Bestrebungen der SS. Ein von einem Häftling gemaltes und an naive Malerei erinnerndes Wandbild zeigte eine Schwarzwaldlandschaft mit Bergbauernhöfen und weidenden Schafen. Im Vordergrund waren mehrere Angorakaninchen dargestellt. Um die Büroeingangstür standen auf kleinen Holzvorlagen Vasen mit frischen Blumensträußen. Der Stand der Zucht (die Anzahl der männlichen, weiblichen und kastrierten Angorakanninchen) wurde handschriftlich auf einer Tafel vermerkt, die ebenfalls an der Außenfassade befestigt war.
Während der Räumung des Lagers durch die SS sind die Angorakaninchen von dem Kommandoführer Schnepel auf den väterlichen Hof gebracht worden.
Am 2. Mai 1945 wurde das von der SS geräumte Konzentrationslager Neuengamme von der britischen Armee übernommen. Nachdem die britische Militärverwaltung das Gelände kurzzeitig als Lager für Displaced Persons (DP‑Camp) und als Lager für deutsche Kriegsgefangene genutzt hatte, wurde ab November 1945 ein ziviles Internierungslager, das „Civil Internment Camp No. 6“ (CIC 6), eingerichtet. Der Kaninchenstall ist hier bis spätestens April 1946 abgerissen worden.